Wenn ein Job nicht genug ist: Die unsichtbare Last der koreanischen Frauen
- Dr. Jaok Kwon

- 17. Aug.
- 2 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 18. Aug.

Dr. Jaok Kwon
(Zentrum für Asien- und Transkulturelle Studien, Universität Heidelberg)

Wie Frauen in Südkorea Erwerbstätigkeit, Kinderbetreuung und strukturelle Ungleichheit meistern
Als berufstätige Mütter in Deutschland kennen wir den täglichen Spagat zwischen Beruf
und Familienleben. Aber wie bewältigen Frauen auf der anderen Seite der Welt die gleichen Herausforderungen - insbesondere in einem Land wie Südkorea, in dem das schnelle Wirtschaftswachstum nicht immer mit der Gleichstellung der Geschlechter einherging?
In Südkorea hat die Zahl der Frauen auf dem Arbeitsmarkt in den letzten zwei Jahrzehnten
zugenommen. Viele von ihnen sind jedoch immer noch mit einer „Doppelbelastung“ konfrontiert: Sie arbeiten außerhalb des Hauses und tragen gleichzeitig den Großteil der Verantwortung innerhalb des Hauses.
Die Zahlen hinter der „Doppelbelastung“
Im Jahr 2023 waren nur 61,4 % der südkoreanischen Frauen im Alter von 15 bis 64 Jahren erwerbstätig - eine Zahl, die zu den niedrigsten in der OECD* zählt (HRM Asia, 2024). Bei Müttern mit Kindern unter 15 Jahren sinkt die Beschäftigungsquote auf nur 56,2 % und ist damit die niedrigste unter allen OECD-Ländern mit mehr als 50 Millionen Einwohnern.
Selbst wenn Frauen arbeiten, müssen sie oft einen hohen Lohnunterschied in Kauf nehmen. Im Jahr 2021 wies Südkorea mit 31,1 % das höchste geschlechtsspezifische Lohngefälle in der OECD auf (The Korea Times, 2023). Das bedeutet, dass Frauen im Durchschnitt fast ein Drittel weniger verdienen als Männer. Ein globaler Vergleich aus dem Jahr 2022 beziffert die Kluft auf 31,2 % (Visual Capitalist, 2023).
Zu Hause ist die Situation noch komplizierter. Der Financial Times zufolge verrichten koreanische Frauen dreimal mehr unbezahlte Hausarbeit als Männer, einschließlich Hausarbeit, Kinderbetreuung und Altenpflege (Financial Times, 2023). Dieses Ungleichgewicht führt häufig zu Unterbrechungen der beruflichen Laufbahn: Mehr als 40 % der südkoreanischen Frauen legen nach der Heirat oder der Geburt eines Kindes eine längere Pause von ihrer Arbeit ein.
Staatliche Unterstützung - und ihre Grenzen
Als Reaktion auf die niedrige Geburtenrate und die wachsende Ungleichheit zwischen den Geschlechtern hat die koreanische Regierung familienfreundliche Programme eingeführt: bezahlter Elternurlaub (bis zu 18 Monate), subventionierte Kinderbetreuung und Kampagnen, die Väter ermutigen, sich an der Betreuung zu beteiligen.
Seit 2006 hat Südkorea über 380 Billionen ₩ (ca. 260 Mrd. EUR) in diese Initiativen
investiert (Financial Times, 2023).
Erst vor kurzer Zeit, im Jahr 2024, startete die Regierung ein umstrittenes Pilotprojekt, das es ausländischen Haushaltshilfen erlaubt, Doppelverdienerfamilien in Seoul zu unterstützen, mitdem Ziel, die Haushaltsbelastung von Frauen zu verringern (Financial Times, 2023).
Dennoch argumentieren Experten, dass lange Arbeitszeiten, starre Bürokulturen und hart-näckige Geschlechternormen weiterhin viele Frauen dazu bringen, ihre Karriere einzu-schränken oder sogar aufzugeben.
Ein gemeinsamer Konflikt, eine globale Konversation
Die Herausforderungen, mit denen koreanische Frauen konfrontiert sind, mögen sich zwar
in Umfang und Kontext unterscheiden, aber sie gelten auch für viele berufstätige Mütter auf der ganzen Welt. Ihre Geschichten erinnern uns daran, dass eine echte Gleichstellung der Geschlechter am Arbeitsplatz nicht erreicht werden kann, ohne die Erwartungen zu Hause zu ändern - und Strukturen aufzubauen, die Betreuungsarbeit als echte Arbeit unterstützen.
*OECD: Organisation for Economic Co-operation and Development (Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung), seit 1961, hat ihren Sitz in Paris, derzeit sind 38 Länder in der OECD (Mai 2021), Deutschland ist eines der Gründungsmitglieder der Organisation.
Ziel der OECD ist es, eine Politik zu fördern, die zu einer optimalen wirtschaftlichen Entwicklung, mehr Beschäftigung und einem steigenden Lebensstandard in den Mitgliedsstaaten führt.
Sie will die gesunde Entwicklung der Weltwirtschaft fördern und zur Ausweitung des Welthandels bei-
tragen.
Source
Jun, Ji-hye. “Women paid 30.7% less than men in listed Firms, 25.2% less in public Offices”, September 6, 2023, The Korea Times.
Song, Jung-a. “Career or family? The dilemma facing women in South Korea”, March 8, 2024, Financial Times.
Song, Jung-a. “South Korea bets on foreign housekeepers to ease women’s workloads and boost birth rate”, July 28, 2024, Financial Times.
Tan, Josephine. “South Korea’s female Employment and Labour Participation Rates lag among OECD Nations”, January 8, 2025, HRM Asia.
Kontakt
Dr. Jaok Kwon
Wissenschaftliche Mitarbeiterin, Institut für Ostasienwissenschaften, Universität Heidelberg, Deutschland, 2025.
Forschungsinteressen:
Entwicklungssoziologie
Erwerbsarbeit und Geschlechterverhältnisse
Transnationale Arbeitsmobilität
Ostasienwissenschaften (Korea und Japan)












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